Dies und das

Flugverspätung (Teil 3 -Gruppendynamik)

Die Gruppendynamik ließ zu wünschen übrig.

(Das ist die Fortsetzung der Geschichte eines völlig vermurksten ersten Urlaubstags. Hier gibt es den ersten und den zweiten Teil zu lesen)

Quer über die Halle C verstreut standen 200 bis 300 Passagiere. Manche mit Koffer. Einige ohne. Manche standen in Gruppen beieinander, andere in den Anstellreihen zu den Check-in Schaltern. Ich erkannte kein offensichtliches Muster. Bekannte Gesichter machte ich auch nicht aus.

Am Ende der linken Warteschlange entdeckte ich schließlich 2 Musliminnen mit ihren Kinderwagen. Waren das die gleichen wie vom Antalya Flug? Ich näherte mich ihnen zögernd. „Steht ihr hier für einen Flug an?“

Die Kleinere der beiden lächelte. Im Gegensatz zu mir hatte sie sich erinnert. „Nein, wir sind hier wegen dem Flugausfall.“

„Wieso steht ihr in der Warteschlange?“

Das führte zu verblüfften Blicken quer durch die Halle. „Äh. Das hat sich so ergeben.“

„Wo ist der Condor-Mann, der auf uns wartet?“

„Wir warten auf den Condor-Mann.“

Allmählich setzte doch so was wie Gruppendynamik ein. Viele erkannten, nachdem sie eine Weile in den Anstellreihen verbracht hatten, woanders bekannte Gesichter aus dem Gate. Es began eine langsame Wanderbewegung. Wir Antalya-Leute strebten einem Punkt zwischen Halle B und C zu. Dort blieben wir mit reichlich Abstand zwischen den Gruppen stehen. Dummerweise hatten wir uns die Engstelle zwischen den Hallen ausgesucht. Passagiere, die noch einchecken wollten, blieben verblüfft in Halle B stehen. Nach einem mehr oder minder langen Moment fassten sie sich. Sie machten ein stures Gesicht und schlängelten dann sich und ihre Koffer durch unsere Ansammlung kleiner Gruppen hindurch.

Der Retter erscheint

Eine Viertelstunde später meldete sich die Gruppendynamik zurück. Viele drehten sich zur Halle B ohne erkennbaren Grund um. Sie machten das, weil es andere vor uns taten. Nach einer Weile drangen Sprachfetzen zu uns. „Sie müssen schon still sein, wenn ich mit Ihnen rede!“

„Ist das der Condor-Mann?“ fragte die Muslimin.

„Keine Ahnung.“ Ich bin zwar knapp 1,80, war aber zu schlecht positioniert, um viel zu erkennen. Irgendjemand mit einer blauen Mütze stand vor den Antalya-Leuten.

Um uns schwoll der Lärm an. Andere Mini-Gruppen knabberten an der gleichen Frage.

Neugierige und Egoisten rempelten an uns vorbei Richtung blauer Mütze. Gruppendynamik kann ziemlich arschig sein.

Irgendwann wurde es still. „Es freut mich, dass sie auf mich gehört haben. Ich bin der Mann, der es ihnen ermöglicht, dass sie Heute Abend eine warme Mahlzeit und ein Bett zum Schlafen bekommen. Sie werden im Hotel Maritim übernachten.“

Nach der endlosen Entschuldigungsarie der Condor-Frau war ich direkt dankbar für seine Angeberei. Dann vermasselte er es. Statt zu sagen, wir sollten alle zusammenbleiben und ihm folgen, verfiel die blaue Mütze in irgendeinen Monolog. Das führte allmählich zu lauter werdendem Getuschel unter uns. Niemand verstand mehr irgendwas. Weitere Gruppendynamik.

Gruppendynamik und Gruppentrennung

Wir setzten uns 5 Minuten später in Bewegung. Die blaue Mütze war wahrscheinlich vorangegangen. Als eine große Gruppe erreichten wir die Treppe zur Ankunftsebene. Dann spalteten wir uns auf. Eine ältere gehbehinderte Frau blockierte die linke Seite der Treppe. Die rechte Seite nahm eine Mutter mit Kleinkind für sich in Anspruch. Die Letzten der ersten Gruppe bogen unten um eine Ecke und weg waren sie. 

Es dauerte eine Weile, bis ich unten ankam. Ein Stau war auf der Treppe entstanden. Da die zweite Gruppe den Anschluss verloren hatte, stand sie einfach nur noch so direkt vor dem Ende der Treppe rum und blockierte alles und Jeden.

Ich hatte jetzt meinen großen Moment. „Ich weiß, wo die hingegangen sind. Alles mir nach.“

Als Leader of the pack führte ich uns zu den Hotel-Shuttlebussen. Na, das war mal eine Gruppendynamik nach meinem Geschmack. Dass heißt, ich führte uns in die Nähe davon. An der Bushaltestelle selbst standen die blaue Mütze und die Teile der ersten Gruppe, die dort noch Platz gefunden hatten. Alle anderen standen an der falschen Straße. Andere Busse hielten dort. Aber nicht um Passagiere aufzunehmen. Sie entluden nur Passagiere. Sie taten das manchmal quälend lange. Während der Zeit hatten wir keine Ahnung, ob wir an der richtigen Straße gerade unseren Bus verpassten. Irgendwann, einer dieser Busse hielt schon eine ganze Weile, stiegen plötzlich die Passagiere vor uns ein.

Gruppendynamik im Ist-mir-jetzt-auch-egal-Modus

„Ist das unser Bus?“ fragte von hinten ein Mann, der mit einem übermüdeten Sohn seine Mühe hatte.

„Weiß ich nicht.“ Ich beugte mich nach vorne zu der Muslimin. „Ist das unser Bus?“

„Keine Ahnung.“ sagte sie. Und stieg ein.

Dann stieg ich ein. Und schließlich stieg der Mann mit seinem Kind ein. Gruppendynamik eben.

Wir hatten im Bus eine bessere Perspektive auf die andere Straßenseite. Dort ruckte die blaue Mütze hektisch hin und her. Das Gesicht darunter machte einen völlig verdutzten Eindruck. Das hätte uns beunruhigen sollte. Tat es aber nicht. Wir hatten keine Kraft mehr für Gruppendynamik. Fatalistisch sahen wir eine Weile zu, wie der Mann mit der Mütze aufgeregt in ein Handy sprach. 

Schließlich fuhr der Bus los und ließ den Flughafen zurück.

Tatsächlich brachte er uns ins Maritim. Wir bekamen dort kleine Notfall-Schachteln mit den nötigsten hygienischen Artikeln.

In Flugverspätung Teil 4 wird es um die finanzielle Entschädigung gehen. Die Veröffentlichung kann etwas auf sich warten lassen. Je nachdem, wie und ob Condor reagiert.

markus

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Tags: Urlaub