In the long run

Schachweltmeisterschaft: Man wird alt und taugt nichts mehr

Erfahrene Routiniers sollten bei der Schachweltmeisterschaft antreten. Schließlich ist Schach ein kompliziertes Spiel. Es dauert Jahre sich in die Feinheiten reindenken. Und bis man ein genügend großes Eröffnungsrepertoire auswendig kann, fließt ebenso viel Wasser den Main runter. Stattdessen werden die Kontrahenten immer jünger.

Im Steinitz-Zeitalter (Das lässt sich auf Photos an schwarzweißen Aufnahmen, Falten, Bärte, und Brillen erkennen) halten sich die Kontrahenten bei Weltmeisterschaften noch an diese Regel. 

Patzer und Freunde nennen mich Bobby

Dann, 1972, hat Robert J. Fischer kein Bock mehr auf althergebrachtes. Bobby Fischer hat sowieso keinen Bock auf fremde Regeln. Aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls wurmt es ihn gewaltig. Praktisch seit seiner Einschulung teilen alte sowjetische Männer die Schachweltmeisterschaft unter sich auf. Sollten nicht auch junge Amerikaner (wie zum Beispiel er) die Schachweltmeisterschaft gewinnen?

Gesagt, getan. Er holt sich den Titel und senkt den Altersdurchschnitt bei der Schachweltmeisterschaft von 1972 auf 32.

1975 fällt das mittlere Alter der Kontrahenten auf einen weiteren historischen Tiefpunkt. 28 Jahre lautet der Durchschnitt. Inzwischen gehört Fischer zum alten Eisen. Sein Herausforderer Anatoli Karpow ist mit 24 der offizielle Jungspund in dem Match. (Dass heißt, wenn die Schachweltmeisterschaft überhaupt ausgetragen worden wäre. Tatsächlich haben die Organisatoren der Schachweltmeisterschaft die Frechheit gehabt Regeln für den Wettkampf aufzustellen. Fremde Regeln. Und ein Bobby Fischer hat kein Bock auf fremde Regeln. Er bleibt der Schachweltmeisterschaft fern. Soll Anatoli halt gegen sich selbst spielen. Ihm auch egal.)

Das erste K + K Jahrzehnt

Es folgt die Ära Karpow und Kortschnoi. Karpow schafft es bis weit in seine 30er Jahre hinein wie ein 15 Jähriger Streber auszusehen. Den Altersdurchschnitt rettet er freilich nicht. Sein Gegner Kortschnoi hat 20 Jahre mehr auf dem Buckel. Außerdem macht er am Brett keinen jugendlichen Eindruck. Er wirkt immer ein wenig zwischen Bulldogge und Griesgram. Zur Übellaunigkeit hat er auch Grund. Er verliert gegen Karpow 1975 das Recht den Weltmeister herauszufordern. Im Nach hinein wäre es eine schöne Sache gewesen, den Kampf um den Platz eines Herausforderes zu gewinnen. Besonders, wenn der Weltmeister zu Hause beleidigt in der Ecke hockt, und seinen Titel nicht verteidigt. 1978 verliert Kortschnoi bei der Schachweltmeisterschaft erneut. Er ist inzwischen aus der Sowjet-Union geflohen. Das gefällt weder der Sowjetunion noch Karpow. Der wirkt und agiert immer noch wie ein braver Musterschüler. 1981 macht Kortschnoi das Tripple vergeigter Chancen voll. Er ist quasi der Goran Ivanisevic des Schachs. Nur ohne Wimbledon 2001.

Das zweite K und K Jahrzehnt

Mitte der 80er Jahre löst Garri Kasparow Kortschnoi als Herausforderer ab. Kasparow ist ein junger wilder Angriffsspieler. Er senkt gemeinsam mit dem Weltmeister Karpow das Mittel auf 27 Jahre. Neuer Minus Rekord. Das ist aber auch das einzige, was sie gemeinsam machen. Ansonsten herrscht Eiszeit am Brett. Kasparow liegt schon seit Jahren mit den sowjetischen Funktionären über Kreuz. Etwas, das der Musterschüler Karpow überhaupt nicht verknusen kann.

Dumm nur, dass die Titelkämpfe der nächsten 10 Jahre eine Privatsache zwischen den beiden sind. 

Anand verzerrt den Trend

Es gibt nach der K + K Ära eine Reihe von Weltmeistern. Dabei folgen sie im groben einer einfachen Regel: Nur junge Besen kehren gut. Die rühmliche Ausnahme bildet Viswanathan Anand. Es handelt sich um einen ruhigen Inder, Jahrgang 1969. Im Gegensatz zu Kasparow hat er keine aggressive Spielanlage. Anand irritiert seine Gegner, indem er auch in komplizierten Positionen verblüffend schnell gute Züge raushaut. 

Als er 2012 bei der Schachweltmeisterschaft auf den noch ein Jahr älteren Gelfand trifft, scheint der Trendbruch perfekt. Sie sind im Schnitt 43,5 Jahre. Es handelt sich um die älteste Paarung seit dem zweiten Weltkrieg.

Carlson beendet den Spuk

Dann macht ein junger Norweger mit Wucht die Altherrenrunde dicht. Mit gerade einmal 23 Jahren holt sich Magnus Carlsen den Titel bei der Schachweltmeisterschaft von 2013.

Carlson verteidigt sie zur Zeit gegen Sergei Karjakin, seinen gleich alten Rivalen. Sie senken den Durchschnitt auf historisch niedrige 26 Jahren. 

markus

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