Dies und das

Bonjour tristesse bei Backwerk

Ein Pannini mit Grillgemüse. Frisch immer ein Genuss! Bildquelle Pixabay Fotograf fernandovillalobos

Ein neuer Backwerk hatte angeblich am Flughafen aufgemacht. Und zwar im Ankunftsbereich von Halle C.

Das konnte ich kaum glauben.

Zum einen gibt es schon mehr als genug Bäckereien am Flughafen. Zum anderen verirrt sich kaum jemand in den Bereich. Schwer vorstellbar, dass sich eine Filiale von Backwerk bei den Mieten rentieren kann.

Wie auch immer. Ich schusselte letzte Woche aus der Gepäckausgabe C raus. Eigentlich hatte ich keinen Hunger. Aber in dem Moment fiel mir ein, ein Kollege hatte von der Neueröffnung erzählt. Der Backwerk müsste demnach hier auch irgendwo sein.

Es gab keinen Backwerk.

Weiter hinten saß ein Flughafen-Mitarbeiter und wartete mit leerem Blick auf seinen Feierabend. Auf der benachbarten Bank saß eine Obdachlose und wartete auf nichts. Ansonsten schien die Halle verwaist.

Ein Backwerk – Irgendwo im Nirgendwo

Dann drehte ich den Kopf, so weit es ging, nach rechts. Doch. Im allerletzten Winkel hatte Backwerk eine Filiale eröffnet. Wie viel müde Heimkehrer wohl den Kopf vom Ausgang wegdrehen, wenn sie nach einem mehrstündigem Flug zurückkehren?

Wahrscheinlich kaum einer.

Bleibt als letzte Hoffnung für Backwerk gelangweilte Abholer. Tatsächlich stand ein alter Mann mit einem Kaffee in der Hand vor der Filiale und ließ den Ausgang der Gepäckausgabe nicht aus den Augen.

Dann ein paar Sekunden, nachdem ich die Sperre passiert hatte, hellte sich seine Miene auf. Er eilte an mir vorbei zu einer Thailänderin, die vielleicht 15 Jahre jünger war als er. Sie gaben sich freundlich die Hand. Schließlich tauchte auch noch ihre Tochter auf. Jetzt strahlte der alte Mann. Hingebungsvoll umarmte er die Tochter der Asiatin. Zärtlichkeiten wurden einander ins Ohr geflüstert. Er nahm ihr den Koffer ab. Schlussendlich schlenderten sie Hand in Hand zum Ausgang von Ankunft C zu.

Urlaubsbild aus der Heimat. Natürlich von der Tochter. Nicht von der Mutter Bildquelle Pixabay Fotograf sasint

Die Schwiegermama folgte ihnen, so schnell sie halt ihren Riesenkoffer hinter sich herziehen konnte. Weitere Käufe wurden nicht bei Backwerk getätigt, so dass es bei diesem einen Kaffee blieb.

Die Verkäuferin stand mit vor der Brust verschränkten Armen an der Kasse. Aus den Fußgelenken heraus wippte sie schnell hoch und runter. Es war nicht direkt kalt. Aber die volle Wärme des Terminals schaffte es auch nicht bis in die Ankunftsebene. Sie konnte noch ein Teenager sein. Vielleicht war es sogar ihr erster Job. Irgendwie strahlte sie etwas von einem unbeholfenem Küken aus. 

Die Backwaren lagerten in schräggestellten Regalen. Das kannte ich schon aus anderen Filialen von Backwerk. Dort stehen die Regale meist als Wandersatz zwischen dem Kunden- und dem Arbeitsbereich. Manchmal öffnet sich eine Klappe, und man sieht flüchtig ein Frauengesicht. Ein Stückchen oder so rutscht die Schräge hinab. Die Klappe schließt sich.

Es gab in der Filiale allerdings eigentümlich wenig Backwaren in den Regalen. Alles in allem warteten vielleicht ein Dutzend Brötchen und Süßwaren auf Kundschaft. Und die ließ sich nicht blicken.

Irgendwas stimmte nicht. Ich sah genauer hin. Diese Regalreihe war kein Wandersatz. Sie stand an der Wand. Damit konnte der Nachschub auch nicht auf die übliche Art in die einzelnen Fächer gelangen. Irgend ein Kurier musste von irgendwoher mit frischen Waren extra ankommen.

Der ausgeschilderte Preis…

Ich betrachtete das Auslage. Da ich keine Lust auf Stückchen hatte, reduzierte sich das in Frage kommende Angebot auf 5 Brötchen. Das Pannini mit Grillgemüse lachte mich an. Es kostete überraschend wenig. Gerade einmal 2,60 stand auf dem Preisschild. Andere Bäckereien verlangten am Flughafen für ein vergleichbares Produkt mindestens 4 Euro. Bei denen stand dann aber auch dick und fett VEGAN auf dem Preisschild.

Sehr schön! Ich hatte ein Schnäppchen ergattert! Ich nahm mir eins und ging zur Kassiererin. Die hatte sich zum Aufwärmen inzwischen eine dünne Strickjacke über die Dienstkleidung gelegt. Was wohl die Backwerk-Kleiderordnung dazu sagte? Vermutlich nichts freundliches. Seit sie ihre Strickjacke anhatte, warf sie nervöse Blicke zum Ausgang.  

Sie studierte mein Brötchen in der Tüte. Dann tat sich eine Weile lang nichts, während sie überlegte, welche Taste sie auf der Kasse drücken sollte. Schließlich fand sie die richtige. „Das macht 3,99 Euro.“

„Äh…  Ihr habt das Pannini aber zu 2,60 ausgeschildert.“

Das überraschte die Kassiererin. „Echt jetzt?“

„Ja.“

Sie kam zu den Regalen und überzeugte sich. „Tatsächlich.“

Dann ging sie zur Kasse zurück. Sie machte einen Schritt zur Seite, damit ich mich neben sie stellen sollte. „Aber in der Kasse steht es mit 4 Euro.“ Die Frau tippte zur Verdeutlichung mit dem Zeigefinger auf das Display. Wirklich wahr. Pannini Grillgemüse 3,99 stand dort. „Der Preis an der Kasse ist aktueller“ erklärte sie. Ihr Zeigefinger versteifte sich. 

…interessiert einen Scheiß

Ich überlegte, ob ich bockig werden sollte. Schließlich gilt der ausgeschilderte Preis als bindend. Nicht wahr?

Richtig.

Nicht wahr. Faktisch ist der Preis an der Ware nicht bindend. Er stellt lediglich eine Einladung zur Abgabe eines Angebots an den Kunden dar. Klingt verdrechselt und meint schlicht: Der Preis an der Kasse zählt.

Normalerweise stellen sich Verkäufer in dem Punkt nicht auf die Hinterbeine. Sie sehen ein, einen Fehler gemacht zu haben. Und zur Stärkung der Kundenbindung verlangen sie deshalb nur den ausgeschilderten Preis. 

Das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Was ich wusste war, meine Feierabendbahn würde in 5 Minuten abfahren. Hatte die Kassiererin von ihrem Vorgesetzten den Freiraum bekommen, in einem solchen Fall eine Kassendifferenz entstehen zu lassen? Wahrscheinlich nein. Würde es ihr Vorgesetzter so schnell nach Ankunft C schaffen? Geschweige denn, den Sachverhalt klären?

„Okay.“ Widerstrebend kramte ich 4 Euro aus dem Münzfach. Für den runter geschluckten Ärger sollte das Pannini jetzt aber besser auch richtig lecker schmecken.

Ka-ching

Sie öffnete die Kasse. Schätzungsweise fünf bis sechshundert Euro lächelten mich an.

Bildquelle Pixabay Fotograf nosheep

An der Übergabe der 4 Euro mussten wir noch feilen. 3,50 schafften es in ihre Hand. Eine 50-Centmünze fiel auf den Boden. Das Teil hatte einen guten Schwung mitgenommen und rollte nun in nicht leicht vorhersehbaren Kreisen flink über den Boden.

„Oh! Oh! Oh!“ Sie machte der Münze sofort, Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh, nach. Irritiert blickte ich zwischen dem Schauspiel, das sie bot, sowie der offenen nun verwaisten Kasse hin und her.  

Schließlich kam die Kassiererin, triumphierend die 50 Cent hochhaltend, zurück. Dann wurden ihre Augen groß. „Oh.“ meinte sie ein viertes mal. „Ich habe ja die Kasse offen stehen lassen.“

Das Pannini

Auf dem Weg zur S-Bahn biss ich hastig in das Pannini. Das hätte sich beinahe für meinen Zahnarzt gelohnt. Schon seit Stunden musste das Brötchen in dem Regal gelegen haben. Die obere Kruste hatte sich so gnadenlos verhärtet und mir fast beim hinein beißen eine Plombe raus gebrochen. Ich warf das Pannini in den nächsten Mülleimer.

Mal gespannt, wie lange sich Backwerk am Flughafen hält.

markus

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markus