In the long run

Betriebsbedingte Kündigungen – Die Sozialauswahl

Bei betriebsbedingten Kündigungen kommt es zu einer Sozialauswahl. Wir schauen bei 2 Fällen, wie die Punktevergabe konkret funktioniert

Die Kontrahenten
Die Punkte für das Lebensalter
Die Punkte für Betriebszugehörigkeit
Die Punkte für Unterhaltspflichten
Die Punkte für Schwerbehinderungen
Die Bilanz

Mit den Einschränkungen zur Bekämpfung der Coronakrise, kamen auch die wirtschaftlichen Verwerfungen. Das Kurzarbeitergeld konnte eine Weile über die Misere der Unternehmen hinwegtäuschen. Doch nun beginnen erste Firmen mit ihren Betriebsräten Sozialpläne auszuarbeiten.

Welche Mitarbeiter können bleiben? Wer muss eine betriebsbedingte Kündigung hinnehmen?

Im Großen und Ganzen sollen dabei vier Sozialkriterien den Ausschlag geben:

  • Die Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Das Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Sowie mögliche Schwerbehinderungen

Im kleinen und gemeinen geht es für einen Freund jedoch ganz konkret um die Punktevergabe dabei.

Manfred, es gibt ihn wirklich, wenngleich unter anderem Namen, fürchtet um seinen Job. Sein Arbeitgeber hat sich mit dem Betriebsrat bereits auf eine konkrete Punktevergabe zu den Sozialkriterien geeinigt.

Ihre Sozialauswahl soll dem wegweisenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.1.90 folgen.

Die Punktevergabe – der Vergleich

Nun geht es an das Eingemachte. Ich stelle Euch zunächst die beiden Konkurrenten um einen verbleibenden Arbeitsplatz vor:

Manfred hat 59 Jahre auf dem Buckel. 2005 trat er in das Unternehmen ein. Zu dem Zeitpunkt war er noch verheiratet. Manfred und seine Frau haben sich jedoch schon vor acht Jahren scheiden lassen. Es folgte ein langwieriger Scheidungskrieg, der inzwischen aber auch schon seit 5 Jahren in einem Waffenstillstand mündet. Die Ehe war kinderlos geblieben.

Sara, seine fiktive Konkurrentin, ist mit 30 knapp halb so alt wie er. Sie führt noch eine intakte Ehe und ist Mutter von zwei bezaubernden Zwillingen. 2008 kam sie in das Unternehmen.

1. Das Lebensalter

Hier legt Manfred, ob er will oder nicht, einen Traumstart hin. Für jedes Lebensjahr erhält er einen Punkt. Das Bundesarbeitsgericht deckelte diese Punktezahl allerdings bei 55. 4 Punkte bzw. vier Lebensjahre gehen Manfred so verloren. Er landete trotzdem bei der maximal möglichen Zahl von 55 Punkte.

Sara landet mit einem Geburtsjahr von 1990 bei 30 Punkten.

Kurzfassung

Unter 55 Lebensjahre: Jedes Jahr = 1 Punkt 

Über 55 Lebensjahre: Jedes Jahr = 0 Punkte

2. Die Punkte für die Betriebszugehörigkeit

Manfred trat erst spät, mit 44 Jahren, in das Unternehmen ein. Das führt zu einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren. Gemäß dem Urteil des BAG bekommt er dadurch eine Menge Punkte zugeschrieben. Und zwar für die ersten 10 Jahre je Dienstjahr ein Punkt. Es gibt für jedes weitere Dienstjahr sogar zwei Punkte. Allerdings kappt die Regelung auch hier jede weitere Punktevergabe ab dem Alter von 55 gnadenlos. Bedauerlicherweise kommt Manfred somit nur auf ein einziges Jahr mit zwei Punkten. Er erhält insgesamt aus der Betriebszugehörigkeit also 12 Punkte.

Bei der Punktevergabe zur Dauer der Betriebszugehörigkeit kommt Sara besser weg. Sie begann bereits mit siebzehn ihre berufliche Laufbahn in dieser Firma. Und da sie auch nach ihrer Ausbildung nie den Arbeitgeber wechselte, erreicht sie so eine Betriebszugehörigkeit von 13 Jahren. Weil bei ihr die Kappung von 55 Jahren nicht greift, gelingt ihr ein kleines Kunststück:

Sara erreicht mit einer um zwei Jahren kürzeren Beschäftigungsdauer 4 Punkte mehr als Manfred.

Kurzfassung

Unter 55 Lebensjahre: Beschäftigungsdauer 1-10 Jahre: 1-10 Punkte

Unter 55 Lebensjahre: Beschäftigungsdauer ab 10 Jahre: 2 Punkte pro Jahr 

Über 55 Lebensjahre: Über 55 gibt’s nichts mehr

3. Die Unterhaltspflichten

Ja, so grausam kann das Leben sein. Das Ende seiner Ehe kostete Manfred eine Menge Geld, noch mehr Nerven, sowie ein Teil seiner Rentenanwartschaft. Und wie wir gleich sehen werden, weiten sich die Verluste noch aus.

8 Punkte für die Sozialauswahl. So viel gewährte das BAG verheirateten Arbeitnehmern.

Und die gehen nun alleine an Sara.

Trotz mehrerer Versuche blieb Manfreds  Ehe kinderlos.

Sara hingegen, mit ihren zwei bezaubernden Zwillingen, werden zweimal vier Punkte gutgeschrieben.

Kurzfassung

Verheiratet = 8 Punkte. Und pro unterhaltsberechtigtem Kind 4 Punkte

4. Die Punkte für Schwerbehinderungen

Sara kommt auf einen Schwerbehinderungsgrad von 60. Das Versorgungsamt attestierte ihr eine schwere Migräne. Das ergibt 6 Punkte für die Sozialauswahl.

Bei Manfred macht hingegen die linke Schulter Probleme. Sie wurde schon zweimal operiert. Darauf bescheinigte ihm das Versorgungsamt einen Behinderungsgrad von 30. Leider nutzen sie Manfred nichts. Denn Punkte bekommt man erst ab einem Behinderungsgrad von über 50.

Kurzfassung

Unter 50% Behinderung gibt es keine Punkte. Und ab einem Behinderungsgrad 50+ gibt es 5 Punkte plus 1 Punkt alle 10%.

Die Bilanz

Sara Manfred
Lebensalter 30 55
Betriebszugehörigkeit 16 12
Unterhaltspflichten 8+8 0
Schwerbehinderung 6 0
Summe 68 67

Tja, die beiden lieferten sich ein knappes Rennen. Letztendlich aber hatte Sara die Nase.

Euch ist es wahrscheinlich auch aufgefallen. Wie jede andere Regelung, die eine Kommission bei Kaffee und Kuchen vereinbart, steckt auch in den Sozialkriterien eine Menge Willkür.

Zwei der Punkte, die mich am meisten verblüfften, waren:

  • Warum hat die Ehe einen höheren Punktewert als die meisten Behinderungsgrade?
  • Wieso verlieren Lebensjahre ab 55 ihre punktemäßige Bedeutung?

Was meint Ihr dazu?  Das würde mich interessieren! Schreibt Eure Gedanken doch einfach in die Kommentar-Box unten ⇓ rein!

markus

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markus