Medien und Politik trieben seit Beginn der Covid-19 Pandemie eine ganze Reihe von Corona-Kennziffern gewissermaßen durchs Dorf. Die Verdopplungszeit machte den Anfang. Später sollte noch die Zahl der Coronaerkrankungen (gesamt), die Belegungsquote der Intensivbetten, die Zahl der Toten, die 7-Tagesinzidenz, etc, etc, hinzukommen.
Wir schauen heute jedoch, wie plausibel zwei andere Kennziffern zusammenpassen: Zum einen
Eine einfache häufig herunter gebetete Erklärung für die Reproduktionszahl R sieht so aus: R beschreibt wie viele weitere Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. So erklärt es zum Beispiel auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Klingt gut, stimmt so aber nicht.
Das RKI berechnet den R-Wert schlicht wie folgt:
Zahl der Neuinfektionen eines Tages/ Zahl der Neuinfektionen 4 Tage zuvor (*)
Liegt die Reproduktionszahl unter 1, nimmt die Zahl der Neuinfektionen ab. Und das Corona-Problem löst sich irgendwann von selbst.
Liegt R über 1 geraten wir in Teufels Küche.
Das Robert-Koch-Institut veröffentlicht zum Glück auf dieser Seite immer eine aktualisierte Tabelle der Reproduktionszahl. R liegt seit dem Start des 4. Quartals praktisch immer im Bereich von 0,8-1,5. Das arithmetische Mittel liegt bei 1,153. Mehr Sinn macht hier jedoch die Verwendung des geometrischen Mittels. Das liegt mit 1,137 aber auch nicht himmelweit vom normalen Durchschnitt entfernt.
Wir schauen uns den Zeitraum ab dem 1. Oktober an. (Datenquelle: Worldometers) Damals betrug die Zahl der neuen täglichen Fälle 2619. Die Kurve begann zu dem Zeitpunkt langsam nach oben abzudrehen.
Inzwischen liegen wir an wirklich schlimmen Tagen bei über 23.000 Neuinfektionen pro Tag (4.12.20). An besseren Tagen liegt dieser Wert bei 15.000 (7.12.20).
Das Robert Koch Institut meldete die Reproduktionszahl zuletzt (9.12.20) bis zum 4.12. Das macht vom 1. Oktober an 65 Tage. Da ein Zyklus ihrer Definition der Reproduktionszahl R nach 4 Tage dauert, kommen wir auf 16,25 Zyklen.
Was ergibt nun ein mittlerer R-Wert von 1,137 über 16,25 Zyklen?
Das Ergebnis kann sich sehen lassen:
Wir kommen bei dem Zeitraum von 1. Oktober bis 4. Dezember also auf einen gesamten Reproduktionsfaktor von 8. Und
Hm. Ich hatte eigentlich einen geringeren Wert erwartet. Aber, ja. Das passt plausibel zusammen. 21.000 liegt tatsächlich im Rahmen zwischen 15.000 und 23.000 Neuinfektionen pro Tag, den wir mittlerweile haben.
Mathematisches Mysterium? Nein, einfach nur einer der selten gewordenen Fälle, wo sich der Zinseszins noch austoben kann.
Das Problem liegt darin, dass Medien der Reproduktionszahl unbedingt eine einfache eingängige Erklärung hinzufügen wollten.
Was meint Ihr dazu? Das würde mich interessieren! Schreibt Eure Gedanken doch einfach in die ⇓Kommentar-Box unten ⇓ rein!
(*) Das RKI berechnet den R-Wert tatsächlich einen Tick umständlicher. Sie verwenden 4 Tages-Summen, in der Hoffnung statistische Ausreißer glattzubügeln.
Der R-Wert für zum Beispiel den 1.4.20 liegt somit nicht bei
Neuinfektionen 1.4/Neuinfektionen 28.3 = 0,93
sondern bei
Neuinfektionen (1.4.+31.3.+30.3.+29.3.)/Neuinfektionen(28.3.+27.3.+26.3+25.3) = 0,93
Na, der Unterschied macht den Braten aber auch nicht gerade fett.