Aktualisiert: 16.7.2022
Das aktuelle Spiegel-Cover zeigt die Karikatur von sieben Arbeitskräften. Diese schauen teils ratlos auf den Titel als auch nach vorne, als würden sie in eine Röhre schauen. Es handelt sich um einen Klempner, einen Rettungsschwimmer, einen Bäcker, einen Bauarbeiter, eine Chirurgin, einen Piloten und einen Kellner.
Meine Frage an euch lautet: Was haben alle diese Berufe gemeinsam? (und die Antwort wird es erst am Ende des Beitrages geben)
Der Spiegel stellt dagegen eine andere Frage: Wo sind die nur alle hin?
So wird also die Work-Life-Balance auf dem aktuellen SPIEGEL Cover dargestellt. Wie aber präsentierte DER SPIEGEL das in früheren Ausgaben seit 1970?
Das erste Titelbild (der Freizeitpark Deutschland) datiert aus dem Jahr 1972. Damals regierte eine SPD/FDP-Koalition und ihr Arbeitsminister verteilte soziale Wohltaten mit der Gießkanne.
Den Schwerpunkt dieser Galerie bildet aber natürlich der Arbeitskampf der IG-Metall. Die 35-Stunden-Woche forderte die IG-Metall 1984. Es folgten ein langwieriger erbitterter Arbeitskampf und erste Kompromisse. Erst 1995 war es schließlich soweit. Die Metaller bekamen ihre 35 Stunden Woche. (Und für eine bessere Work-Life-Balance sorgten später auch die Interessensvertreter der Arbeiter in der Stahl-, Elektro-, Druck- sowie holz- und papierverarbeitenden Industrie. Hier gilt gleichfalls die 35 Stunden-Woche)
Tja.
Ein Trend ist ein Trend ist ein Trend
Da führt leider kein Weg dran vorbei. Während der ersten Galerie Mitte der 80er Jahre die Titelbilder ausgingen, setzte dort nahtlos die zweite Galerie an. DER SPIEGEL erklärte uns sogar, warum wir wieder mehr arbeiten müssen. Dabei zeigte sich übrigens seine miesepetrige Seite. Betrachtet man heute diese SPIEGEL Cover, könnte man meinen, die IG-Metall setzte damals eine übellaunige Sonne als Logo ein. Nein, die war in Wirklichkeit ein früher Smiley. DER SPIEGEL drehte ihr nur, wann immer ihm danach war, die Mundwinkel nach unten.
Was DER SPIEGEL auch beklagt, ist das Eindringen der Arbeit in die Freizeit wie eine kaum zu bekämpfende Pilz-Kultur. Der alte Begriff Work-Life-Balance ist hier immer noch nicht schlecht. Man spricht in dem Fall aber auch von etwas, was sich Work-Life-Blending nennt.
Wenn aber die Arbeit die Freizeit unterwandert, ist es nur unser gutes Recht den Spieß um zu drehen:
Und wenn Ihr jetzt Euren nostalgischen bekommen habt, hier gibt es auf YouTube das Orginalvideo aus den 80ern.
Ich hatte in der Einleitung ein kleines Rätsel gestellt: Was verbindet die sieben Berufe, die auf dem aktuellen Spiegel-Cover gezeigt werden? Die Antwort ist ein Begriff, den ich auch erst vor einer Woche kennengelernt habe: Sie alle sind deskless worker. Wörtlich übersetzt bedeutet das schreibtischlose Arbeitnehmer. Viele harte Dienstleistungsberufe fallen darunter, aber natürlich auch Maurer und Chirurgen.
Sie alle eint, dass sie bei einem der wenigen Vorteile, die die Corona-Krise mit sich gebracht hat, komplett leer ausgegangen sind. Deskless worker müssen fast immer vor Ort sein. Der Titel des SPIEGEL-Covers 2/2019 Arbeiten sie doch, wo sie wollen, muss in ihren Ohren wie purer Hohn klingen. Die Möglichkeit auf das Pendeln verzichten zu können, und im Homeoffice zu arbeiten gibt es bei ihnen schlicht nicht.
Und das führt dann auch schon zu einer naheliegenden Antwort auf die titelgebende Frage: Wo sind die nur alle hin?
Ein Teil von ihnen wird sich ein Job gesucht haben, der bessere Konditionen bietet, als es bei deskless worker üblich ist.
Natürlich kann die Work-Life-Balance auch Extremwerte annehmen.
Schön, wenn man sich auf der richtigen Seite befindet!
Habe ich vielleicht ein thematisch passendes SPIEGEL Titelbild übersehen? Kennt ihr noch weitere? Nur zu! Schreibt mir!
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DER SPIEGEL ist eine der auflagenstärksten deutschen Wochenzeitschriften, und bei den Titelbildern legen sie sich richtig ins Zeug. Die SPIEGEL Cover schafften es sogar schon zu Ausstellungen in Museen. Für sämtliche Cover liegt das copyright bei DER SPIEGEL