Nun steht also der Koalitionsvertrag der GroKo II.
Vieles, was ich mir gewünscht hätte, fehlt. Was im Überfluss vorhanden ist, sind Treueschwüre zur Europäischen Union. Italienische Zeitungen waren begeistert über den Koalitionsvertrag und prägten eine neue Floskel:
Mit dieser griffigen Formel gelangten die Italiener auf Anhieb auf meine Liste der schönsten Verharmlosungen der Kosten Europas! Wenn ihr wissen wollt, was hinter der Begeisterung steckt, könnt ihr gleich in die Top Ten vorscrollen. Mehr Europa schaffte es auf Platz 5
Die Europäische Union und der Euro haben in Deutschland keinen leichten Stand. Ständig schauen wir nur darauf, was uns das Experiment kostet. Wir jammern über die direkten Kosten, die Griechenland verursacht. Den Pegelstand des Target-2-Saldo wollen wir lieber gar nicht so genau wissen*. Und wir haben bei der aufgeblähten EZB-Bilanz ein richtig mieses Gefühl. Diese indirekten Kosten werden uns noch teuer zu stehen kommen.
Das muss nicht sein!
Also, das teuer zu stehen kommen schon. Aber niemand muss ein mieses Gefühl dabei haben. Jeder ist seines Glückes Schmied!
Und deshalb helfen uns auch Politiker Europas Kosten in ein angenehmeres Licht zu rücken. In besten Orwell´chen Neubenennungen haben sie schönere Formulierungen für Europas Kosten gefunden.
Der Beitrag über Europas Kosten läuft mittlerweile in der 4. Aktualisierung.
Schicksalsgemeinschaft
Die erste aller Gemeinschaften. Später in der Ranglisten werden uns noch weitere über den Weg laufen. Diese Floskel hat einen ziemlich oberflächlichen Subtext. Wir sitzen alle in einem Boot. Seid ihr sicher, dass ihr die Griechen immer noch absaufen lassen wollt?!
Im Tagesspiegel erklärte uns HD Genscher höchstpersönlich, warum das Rad der Geschichte nicht zurückgedreht wird. Über Europas Kosten schwieg sich auch der ehemalige Außenminister aus.
Europa stärken
Ein schönes Schlagwort. Die Bertelsmann-Stiftung verwendet es in seinem üblichen Umfeld: im gesamten Euroraum (also hauptsächlich nicht in Deutschland) ist eine inklusive, innovative, nachhaltige, ressourcenschonende und generationengerechte Wirtschaft zu fördern.
Wir werden keine Haftungsgemeinschaft.
Schließlich sind wir nur eine Währungsgemeinschaft, nicht wahr? So, oder so ähnlich, lauteten vor ein paar Jahren noch die Ausflüchte. Hier erklärt uns Theo Waigel wieso das mit Europas Kosten völlig falsch eingeschätzt wird.
Wertegemeinschaft
Ach Herrje. Man hat bei der Wertegemeinschaft in der Theorie an folgende Werte gedacht:
Es geht tatsächlich wieder um Europas Kosten. Hier eine praxisnähere Verwendung des Begriffs bei wiwo
Investitionen
Die theoretische Definition für Investition lautet langfristige Bindung finanzieller Mittel in Vermögensgegenständen.
Finanzieller Mittel?
Na, ja. Europas Kosten halt. Hier eine typische Verwendung des Begriffs bei N24
Selten zuvor war Europa so sehr auf gemeinsame Lösungen angewiesen wie heute
Gesagt hat das der Präsident des Deutschen Bundestags Norbert Lammert auf der französischen Nationalversammlung in Aachen. Gemeint hatte er damit die europäische Schuldenkrise. Lammert hatte das gar nicht mal so ungeschickt angefangen. Statt einzuräumen, wir haben ein Problem, und wir wissen nicht damit umzugehen, forderte er einfach Lösungen.
Friedensdividende
Der Begriff stammt aus den Zeiten des kalten Krieges. Im europäischen Kontext bedeutet Friedensdividende Deutschland kann nicht mehr gegen, sagen wir, Frankreich oder Polen Krieg führen. Ergo brauchen wir auch geringere Ausgaben für den Wehretat. Und das, was wir bei der Bundeswehr gespart haben, kommt bei uns Bürgern als Wohlstand an. Die Friedensdividende eben. Soweit die graue Theorie, mein Freund.
Pakt für die Zukunft Europas
Europas Kosten lassen sich beim Pakt für die Zukunft Europas nicht so leicht erkennen. Denn die Gelder liegen ja schon bereit. Sigmar Gabriel will sie bloß umleiten. Weg von so einer hässlichen Sache wie Atommüll-Endlager hin zu der erhabenen Zukunft Europas.
Und wer bezahlt dann Aufbau und Unterhalt der Atommüll-Lager?
Egal.
Umverteilung
Ein schönes Wort für Europas Kosten. Als Frage formuliert lautet sie: Warum soll ich mich anstrengen, wenn es ein anderer für mich tut?
Zeit für mehr Gerechtigkeit
Das fordert Martin Schulz der Kanzlerkandidat der SPD 2017. Was aber hat das mit Europas Kosten zu tun? Nun, Schulz kommt (kam) auf seiner (ehemaligen) Homepage schnell zur Sache: Deutschland ist ein starkes Land! Aber Frieden und Wohlstand seien nur durch ein starkes und besseres Europa zu sichern. Verstärkt, verbessert und gesichert wird das natürlich durch das Geld der Reichen.
Und wer ist reich?
Na, jeder, der nicht bei drei auf den Bahamas ist.
Vergemeinschaftung
Nur gemeinsam sind wir stark? Lasst uns also alle an einem Strang ziehen?!
Ach, was. Blödsinn. Hier greift der gute alte Ringelmann-Effekt. Sobald Menschen mit anderen arbeiten und ihre Einzelleistung nicht bekannt wird, reduziert sich ihre Leistung. Wer sich dafür interessiert: Unter dem Stichwort soziales Faulenzen wird das auch nochmal ohne Strang erklärt.
Staaten sind auch nur Menschen.
Europas Kosten fallen hier leicht ins Auge. Sobald die Nordländer sich nur genügend ins Zeug legen, langt es für die Südländer so zu tun, als ob sie noch am Strang ziehen.
Und hier erklärt Angela Merkel, warum es mit ihr keine weitere Vergemeinschaftung der Schulden in Europa geben wird (das erklärte sie im Sommer 2012 dem Bundestag. Vermutlich meinte sie mit keine weitere Vergemeinschaftung keine weitere Vergemeinschaftung in 2012)
Wir müssen enger zusammenrücken
Die Aufforderung kann nur wenigen Personengruppen gut gefallen.
Warum es sich auch hierbei um Europas Kosten dreht, erfahrt ihr zum Beispiel bei Focus online oder in der Süddeutschen
Mehr Europa
Darüber freute sich die italienische Zeitung Il sole 24 oro. Sie hatte den Vertrag zur zweiten Großen Koalition gelesen. Und was darin zu Europa stand, gefiel ihr ausnahmslos:
weniger Austerität: Damit meinte die GroKo weniger sparen, weniger entbehren. Was vollkommen in Ordnung geht. Vorausgesetzt man findet einen Sparer, dem das Geld locker in der Tasche sitzt.
Mehr Beiträge für den europäischen Haushalt. Nun ja. Doppelt gemoppelt hält besser.
Ja, zur Fiskal-Union. Was für eine famose Idee! Die Steuern der reichen Ländern wandern dahin, wo sie in der Union am meisten benötigt werden. (Nämlich bei den Südländern)
der europäische Gedanke
Ah. Wie kann man das kurz und bündig auf einen Nenner bringen? Vielleicht so: Die Menschen in Europa halten sich nicht Franzosen oder Italiener sondern für Europäer.
Da haben wir wohl noch ein bisschen Wegstrecke zurück zu legen, bis wir da ankommen. Integrationsarbeit ist zu leisten. Auch hier. Und da wären wir wieder bei Europas Kosten. Im Handelsblatt macht sich Hans Werner Sinn Sorgen um den europäischen Gedanken.
Eurobonds
Die Idee zu Eurobonds kochte 2011 hoch. Kein Wunder. In dem Jahr torkelte der Euro gewaltig.
Wäre es nicht eine Supersache wenn Euro-Staaten gemeinsame Anleihen emittieren würden?!
Diese verzweifelte Frage trieb etliche Staatschefs der Südländer um.
Könnte die Politik so nicht ein echtes Zeichen für Solidarität setzten? Krisenstaaten hätten sich zu besseren Zinssätzen verschulden können.
Ja, hätten sie gekonnt.
Dummerweise gibt es aber bei jeder Medaille zwei Seiten. Es hätte in dem Fall bedeutet, dass Deutschland und einige andere stabile Staaten sich zu schlechteren Zinsätzen hätten verschulden müssen. Europas Kosten eben. Einen guten Beispiellink gibt es hier bei N24.
Das große Sozialprojekt in die Herzen der Menschen zurückbringen
Das ist doch mal eine wirklich großartige Nebelkerze. Sie fiel auf seiten der SPD bei einer aktuellen Stunde im Bundestag. Während die CDU mehr von Geld, Ausgaben und tatsächlich Europas Kosten sprach, starteten Grüne und Linke eine echte Euphemismus-Party. Ihr findet mehr Infos dazu auf der Seite von Br24.de.
Wahnsinn! Nachdem er über ein Vierteljahr in der Versenkung verschwunden war, taucht Gesundheitsminister Herr Fat wieder auf. Sie hören nun seine Laudatio auf den diesjährigen Gewinner des Whitewash awards.
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Muss Europa für die Schulden anderer Länder aufkommen?
Ein ganz klares Nein!
So tönte die CDU vor 18 Jahren. 1999 wollte sie bei den Europa-Wahlen massiv Stimmen holen. Sie schaffte es auch. Die CDU holte ein Plus von 10 Prozent Inzwischen, wo das damalige Wahlplakat volljährig ist, wird die CDU nur noch sehr ungern daran erinnert.
Genießen wir das Poster nun noch einmal.
Wie es halt mit allen Babies ist. Süß sind sie nur, solange sie noch klein sind. Das gilt natürlich auch für Europas Kosten.
Nobody is perfect. Vielleicht sind mir einige geniale Sprechblasen entgangen. Hat euer Lieblingspolitiker vielleicht noch bessere Stilblüten auf Lager?
*Das Target2-Saldo der Deutschen Bundesbank betrug Ende 2017 906 Milliarden Euro. Das ist ein absoluter Höchststand, den irgendwie keinen juckt. Dabei trägt auch das zu Europas Kosten bei!