Das Karotten-Prinzip ist eine ziemlich miese Masche. Ich bin auch schon ein paar mal darauf reingefallen.
Viel braucht es dazu nicht. Einen Stock, eine Kordel, eine Karotte. Und natürlich ein dummes Lasttier. Dem hält man nun die Karotte knapp vor das Maul. Das Prinzip unterstellt, dass der sprichwörtliche Esel sich stumpfsinnig auf die Karotte zubewegen wird.
Und zwar ohne die Karotte je zu erreichen.
Bevor wir jetzt in Mitleid über den armen Esel zerfließen, sollten wir uns anschauen, wie Merkel die Wähler an die Wahlurne lockt.
Sie macht das bei Steuern und Abgaben mit, nun, ja, verheißungsvollen Behauptungen. Ach, werfen wir einfach einen Blick auf die Wahlprogramme der Union mit Angela Merkel als Numero uno:
Angela Merkel ist noch ein halbes Jahr vom Kanzleramt entfernt. Um es zu erreichen, versucht sie einen Spagat. Deutschland brauche einen steuerpolitischen Neuanfang. Ausnahmen im Steuerwesen sollen beseitigt, Steuersätze abgesenkt werden. Für eine Netto-Entlastung bestehe angesichts der Krise der öffentlichen Haushalte trotzdem vorerst kein Spielraum.
Es bestand allerdings Spielraum für eine Nettobelastung. Siehe Diagramm am Ende des Beitrages.
Die Menschen, die arbeiten und Steuern zahlen, schultern die staatlichen Investitionen und Aufgaben. Mit diesen Leistungsträgern werden wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen.
Ich musste eine Weile überlegen, um zu kapieren, was die Union damit meint. Es bedeutet, dass alle anderen Menschen mit einem Freibier in der Hand am Spielfeldrand stehen und die Menschen, die arbeiten und Steuern zahlen, ja, was eigentlich, anfeuern, bewundern, geringschätzig betrachten?
Diese Bürgerinnen und Bürger und ihre Familien wollen wir entlasten. Unser Ziel ist es, dass die Menschen mehr Netto vom Brutto erhalten. Eine höhere staatliche Belastung der Energiepreise wird es mit CDU und CSU nicht geben.
Erstaunlicherweise hätte die Nummer zu dem Zeitpunkt sogar funktioniert!
Merkel hätte 2013 bloß ihre Schuhe an den Nagel hängen müssen. Dann wäre die Belastung durch Steuern und Abgaben, während ihrer Kanzlerschaft tatsächlich fast konstant geblieben. Siehe untenstehendes Diagramm
Es kam, wie es kommen musste. Merkels Schuhe blieben an ihren Füßen. Wohin die Reise gehen sollte, zeigte das Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2013:
Deutschland ist finanzpolitisch auf einem guten Weg. Steuern sollen auf keinen Fall erhöht werden.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer will die Union durch den Abbau der kalten Progression entlasten. Bei der „kalten Progression“ handelt es sich um eine heimliche Steuererhöhung aufgrund des progressiven Steuertarifs, die zum Tragen kommt, wenn eine Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht, die Einkommensteuersätze aber nicht der Inflationsrate angepasst werden.
Wohin die Reise wirklich ging, zeigt das Diagramm.
Die blaue Linie steht für einen etwas sperrigen Begriff: Die volkswirtschaftliche Einkommensbelastungsquote. Damit meint der Bund der Steuerzahler die Summe aller Abgaben und Steuern eines durchschnittlichen Steuerzahlers. In Tagen statt Prozenten ausgedrückt, ist das nichts anderes als der Steuerzahlergedenktag. Die Blitze deuten auf das Niveau der damaligen Wahlprogramme. Das Herz steht für die aktuelle Belastungsquote.
Wie wir sehen, stieg die Steuern- und Abgabenlast die letzten 4 Jahre steil an. Sie liegt inzwischen am höchsten Punkt seit Merkels Kanzlerschaft.
Um es lasttierverständlich auszudrücken:
Und so präsentiert uns Merkels Union die Steuern- und Abgaben-Karotte im aktuellen Wahlprogramm:
Steuern will die Union nicht erhöhen. Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl 2021 möchte sie den Solidaritätszuschlag (5,5 Prozent der Lohnsteuer) schrittweise abschaffen. Von einer Senkung der Einkommenssteuer um insgesamt 15 Mrd. Euro ist im Wahlprogramm ebenfalls die Rede. Den Kinderfreibetrag möchten die Parteien anheben.
Mag jemand ein Möhrchen?