Finanzen

Schleswig-Holstein erwägt Bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen

Darauf ein Bier: Schleswig-Holstein erwägt die Einführung des BGE

Und so sähe mein Arbeitsplatz aus, wenn ich dann in Schleswig-Holstein leben würde (zumindest offiziell) Bildquelle Pixabay Fotograf Pexels

Des was?

Des bedingungslosen Grundeinkommens. Jeder Erwachsene soll 1000 Euro pro Monat bekommen. Kinder sind mit 500 Euro mit von der Partie. Allerdings fallen staatlichen Leistungen wie Hartz IV oder Kindergeld hinten runter.

Wie kommen die auf den Wert von 1000 bzw. 500 Euro?

Vielleicht haben sie in Schleswig-Holstein die durchschnittlichen Kosten von Erwachsenen und Kindern bis auf den letzten Cent genau ermittelt. Und so kam halt 1000,00 Euro bzw. 500,00 Euro heraus. Es kann auch sein, dass sie irgendwas geschätzt haben. Wahrscheinlich hatten sie aber einfach nur eine Vorliebe für runde Zahlen.

Was heißt erwägt?

Schleswig-Holstein wird von CDU, FDP und Grüne regiert, die sogenannte Jamaika-Koalition. Das muss man sich ein bisschen wie einen dicken älteren Mann vorstellen, der mit seinen beiden jungen Hunden Gassi geht. Der eine Hund, die Grünen, wollen das Bedingungslose Grundeinkommen. Der andere Hund, die FDP, hätte lieber ein an Bedingungen geknüpftes Bürgereinkommen. Wohin die Reise geht, ist also noch nicht so ganz klar. Im schlimmsten Fall entsteht ein überreguliertes bürokratisches Monster, dessen Verwaltung sogar noch mehr Stellen schafft.

Quanta costa?

Hm. Schleswig-Holstein hat knapp 3 Millionen Einwohner. Bei, sagen wir, einem durchschnittlichem Bedingungslosem Grundeinkommen von 800 Euro macht das 2,4 Milliarden pro Monat. Auf das Jahr hochgerechnet ergeben sich so 28 Milliarden Euro Mehrausgaben. So lautete zumindest meine erste Schätzung. Kreuzrotter brachte mich jedoch darauf, dass der Betrag von 800 zu niedrig angesetzt war. Eine realistischere Näherung sieht so aus: Bei einem durchschnittlichem Bedingungslosem Grundeinkommen von 930 Euro macht das 2,8 Milliarden. Auf das Jahr hochgerechnet ergeben sich so 33,5 Milliarden Mehrausgaben. 

Verwaister Arbeitsplatz eines Empfängers von Bedingungslosem Grundeinkommen Bildquelle Pixabay Fotograf Kertu

Hat Schleswig-Holstein so viel Geld?

Nein. Die Gesamtverschuldung von Schleswig-Holstein liegt lustiger weise auch bei 28 Milliarden Euro.

Der Landtag von Schleswig-Holstein will jetzt also pro Jahr genauso viele Schulden machen wie seit der Gründung 1946 insgesamt?

Na, ja. Einiges wie die Sozialausgaben fällt dafür ja auch weg. 2011 lagen die bei knapp einer Milliarde. Inzwischen dürfte anderthalb Milliarden Euro ein realistischerer Wert sein. Die Landesregierung kann somit auch Stellen in der Verwaltung sparen.

Da bleibt trotzdem noch ein Riesenhaufen Geld, den Schleswig-Holstein wird stemmen müssen. Ist das kein Problem?

Nö. Schleswig-Holstein kann sich einfach entweder

  • höher verschulden
  • Steuer und Abgabenlasten erhöhen
  • Bundeszuschüsse beantragen

Warum wollen die das bedingungslose Grundeinkommen überhaupt einführen?

Es geht darum den Bürgern Existenzängste zu nehmen.

Praktisch jeder, der ein Smartphone hat, ahnt wie leistungsfähig künstliche Intelligenz und Automation bereits geworden sind. Wann kommt der Punkt, an dem der Arbeitgeber seine IT beauftragt, mal zu schauen, welche Arbeitsabläufe, die bis jetzt noch fehleranfällige, teure, oft krankgeschriebene, altmodische Menschen machen, auch von einem Algorithmus/Roboter geleistet werden können? Wahrscheinlich früher als uns lieb ist.

markus

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  • Ich sehe deutliche Vorteile durch ein BGE. Bedingungslos ist dabei das Stichwort, also deutlich weniger Bürokratie. Wenn alle dieses Geld bekommen, ist der Neidfaktor weg. Jedem ist es freigestellt, sein Einkommen durch Arbeit zu verbesssern. Die Abhängigkeit von Behörden wird minimiert. Das Selbstwertgefühle der Menschen dürfte sich verbessern.

    • Hallo Hasse, Danke für Deinen Kommentar. An den Faktor Neid hatte ich bei der ganzen Geschichte tatsächlich noch nie gedacht.

  • Hallo,
    nachdem ich gestern Deinen Artikel zum BGE entdeckt hatte, habe ich versucht mehr Zahlen zum Haushalt des Landes Schleswig-Holstein aber auch von Gemeinden bezüglich Sozialausgaben zu bekommen. Das war leider alles andere als einfach, da die Bilanzen des Schleswig-Holsteiner Haushalts alles andere als leicht zu lesen und vor allem zu durchsuchen sind (immerhin steht bei jeder der Dateien zu den Haushalten "nicht barrierefrei" dabei):

    Haushaltsrechnung und Vermögensübersicht ab dem Haushaltsjahr 2012
    https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/H/haushalt_landeshaushalt/haushaltsrechnung.html;jsessionid=8EBD0748A199E686BDFF67A8BF3401EB

    Hier noch ältere:

    Landeshaushalte
    http://www.haushaltssteuerung.de/landeshaushalte.html#schleswig-holstein

    Die "Haushaltsrechnung und Vermögensübersicht für das Haushaltsjahr 2012" (erstellt im Oktober 2013), eine Pdf-Datei, beispielsweise, enthält viele Seiten die senkrecht eingefügt und dadurch schlecht zu lesen sind. Man kann zwar trotzdem nach Worten suchen, aber man hat nicht nur die senkrechten Seiten, sondern zudem auch noch eine ziemlich schwer lesbare Schrift (S. 46 beispielsweise). Das Dokument für die Haushaltsrechung 2013 (erstellt im Oktober 2014) ist noch schlimmer: Dort sind sogar Lücken bzw. Leerzeichen in den Worten in den senkrechten Seiten mit der schlechten Schrift vorhanden, so dass man in diesen Textabschnitten dort überhaupt nicht nach Begriffen suchen kann.

    Dafür habe ich bei dem umstrittenen Wikipedia-Portal eine Zahl zu den gesamten Sozialausgaben Deutschlands im Jahr 2013 gefunden:

    Sozialleistung
    Deutschland hat im Jahr 2009 30,1 % seines Bruttoinlandsprodukts für Sozialleistungen aufgewendet und lag damit im europaweiten Vergleich auf Rang 4.[1] Im Jahr 2013 waren es 29 %.[2]
    ...
    [2] http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Europa-Internationales/Datensammlung/PDF-Dateien/abbX3.pdf
    de.wikipedia.org/wiki/Sozialleistung

    Laut Wikipedia-Artikel Deutschland betrug das BIP (KKP) im Jahr 2013
    Total (KaufKraftParität) 3.513 Mrd. USD

    Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler und habe auch keinerlei Ausbildung im Finanzwesen genossen. Deswegen weiß ich nicht wie man US-Dollar in eine richtige Euro-Zahl umrechnet. Ich nehme einfach mal den Dollarkurs von heute (1,1423), nehme gerundet 1,15 (wegen schlechterem Umtauschkurs für Bargeld) und habe dadurch, mit 29% Anteil der Sozialausgaben am BIP, eine Zahl von 886 Mrd für 2013 (bei 2% Inflation pro Jahr: 959 Mrd. für 2017). Das wären pro Person in Deutschland und Monat 900 Euro (974 Euro für 2017), die im heutigen System schon gezahlt werden.
    Zu dieser Zahl könnte man die Gehälter sämtlicher Jobcenter-Vermittler zählen und gerne die Gehälter der Hälfte bis zu 100% der Steuerberaterstellen, wenn man das Steuersystem massiv vereinfachen (nur noch Mehrwertsteuer bzw. Konsumsteuer) und etwa jegliche Steuersparmodelle abschaffen würde. Dazu kommen auch noch die Ausgaben für all die Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsagenturen und Jobcenter, die dann auch wegfallen.

    • Hallo Kreuzrotter,

      Ja, ich greife auch oft auf Wikipedia zurück, obwohl ich leichte Zweifel bezüglich der Korrektheit der Daten habe. Meistens stimmen sie aber mit anderen Quellen überein.

      Um auf deine gesamtdeutsche Perspektive einzugehen:

      Der Dollarkurs stand 2013 deutlich schlechter. Er lag praktisch das ganze Jahr über bei 1,30.

      Aktuellere Daten vom BIP Deutschlands spuckt Google aus: https://www.google.de/#q=bip+deutschland&spf=1499426192504

      Um es kurz zu machen (mir fehlt leider die Zeit) es waren 3,356 Billionen US Dollar. Dessen Kurs changierte 2015 um die 1,1 herum; so kommen wir also auf 3,05 Billionen Euro BIP. Der Anteil der Sozialleistungen liegt tatsächlich irgendwo bei 30%. Wir kommen also auf 915 Milliarden Euro Sozialleistungen pro Jahr.

      Geteilt durch ca 80 Millionen Bürger führt das zu: 11400 Euro pro Bürger und Jahr. Was im Monat zu 953 Euro pro Einwohner führt.

      Ja, ich komme zu ähnlichen Zahlen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob wir nicht irgendwas übersehen haben, oder einen Fehler gemacht haben.

      Hat jemand da einen Einwand?

      • Okay, den richtigen Zeitpunkt für den Dollarkurs hatte ich vergessen. Heute sind es so um die 82 Mio. Einwohner (trotz Statistik-Revision vor zwei oder drei Jahren - bei der Wende waren es erst 76 Mio. gesamtdeutsche Einwohner. So viel zum Thema Bevölkerungsschwund). Also wären es dann etwas weniger pro Monat. Egal. Die Hausnummer (900-1000 pro Monat) passt ungefähr.

        Beim Statistischen Bundesamt (destatis.de) oder auch bei der privaten Seite https://de.statista.com gibt es jede Menge Statistik-Infos.
        Die Seite ist sehr gut:

        Startseite -> Publikationen -> WISTA – Wirtschaft und Statistik -> Soziales
        https://www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/WirtschaftStatistikSozialleistungen.html

        Und ganz wichtig: Das Geld für die Sozialabgaben fließt also JETZT schon statistisch gesehen JEDER Person (egal ob Erwachsene oder Kind) pro Monat zu, ohne dass irgendwo Geld erhoben werden muss. D.h. diese Geldmenge ist also JETZT schon gesichert, ohne Mehrwertsteuererhöhung, ohne Sonderabgaben, ohne Entlassungen von hunderttausenden Behördenmitarbeitern. Es geht nur um die restliche Umverteilung.

        Sozialleistungen sind ja alles mögliche: Renten (in jeder Form wie Erwerbsminderungsrenten, Hinterbliebenenrenten, Kriegsopferrenten etc.), ALGII + HIV, Arbeitslosengeld, Pflegeleistungen, Wohngeld, Bafög, Elterngeld, Kindergeld, Aufstockungen, etc. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Renten und sonstige Sozialleistungen unterschiedlich hoch sein können, auch höher als 900-1000 Euro pro Person und Monat, aber nur die Höhe des BGE-Betrags entsprechend pro Sozialleistungsempfänger angerechnet werden kan. D.h. von diesen 900-1000 Mrd. bzw. 900-1000 Euro pro Monat fällt dann noch ein Teil weg, aber dafür gibt es ja noch jede Menge Einsparmöglichkeiten wie oben angegeben, die sich aus dem BGE ergeben.
        Ich denke dass zum Beispiel die Verwendung von Psychopharmaka als eine Nebenwirkung auch deutlich verringert werden könnte, weil die Zukunftssorgen und -ängste vieler Menschen dann wegfallen. Auch die Situation in Familien mit Kindern wird sich verbessern, wenn der wirtschaftliche Druck wegfällt => weniger Gewalt gegen Kinder und damit auch geringere (Krankheits-)Folgekosten wie Suchtbehandlungen, Diebstähle etc.

        Wo hattest Du eigentlich die Zahlen für das Verhältnis von Kindern zu Erwachsenen her?

        • naja... kommt drauf an, wie man das sehen will.
          Renten sind "Ansprüche aus eigener Leistung", die man mit seinen beiträgen erworben hat. Die kann man nicht aufrechnen, weil das eine Enteigung wäre.

          Meine Idee dazu ist, das Rentensystem in Rente zu schicken und ab Stichtag x einzustellen. Ab dort werden nur noch die bereits erworbenen Ansprüche abgegolten, neue können keine mehr erworben werden.
          Damit schleicht man das System aus.
          Das Grundeinkommen muss also unabhängig von/neben der Rente gezahlt werden, bis diese ausgelaufen ist.

          In vielen Modellen und Diskussionen wird das anders/falsch betrachtet, indem man ein Grundeinkommen mit Renten aufrechnen und nur den übersteigenden Grundeinkommensbetrag zahlen will. Das wäre nicht zulässig und würde eine Klageflut nach sich ziehen, die sich gewaschen hat.

        • Da hast du mich erwischt. Es war ein Schätzwert.

          Und im nachhinein betrachtet ein schlechter. Auf der, auch von mir geschätzten, Seite von destatis fand ich das

          Falls der Anteil Kinder zu Erwachsenen in SH genauso groß ist wie im übrigen Deutschland, (und falls SH auch Kinder als bis 14 Jahre alt definiert) nun, ja, dann war mein geschätztes durchschnittliches BGE von 800 Euro zu niedrig angesetzt. Wir haben dann ein 7:1 Verhältnis Erwachsener/Kind. Das führt zu ungefähr 7500/8.

          Realistischer ist also ein durchschnittliches BGE von 930 Euro

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markus
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