Muss man wirklich bis 67 arbeiten?! Neun von zehn älteren Menschen wollen früher in die Rente. Und wenn es auch nur ein paar wenige Jahre sind.
Bei den Jüngeren gibt man sich nicht so bescheiden. Frugalisten nennt sich eine immer größer werdende Gruppe mit einem ehrgeizigen Ziel. Sie wollen so früh wie möglich aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Ein Renteneintrittsalter von 40 Jahren schwebt den meisten als großes Ziel vor.
Doch wie nun reagieren Politik und Wirtschaft auf die Wünsche und Sehnsüchte ihre Arbeitnehmer und Wähler?
Am Mittwoch überreichten die Wirtschaftsweisen Kanzlerin Merkel ein Sondergutachten.
Die Expertise trug den Titel Herausforderungen des demografischen Wandels. Rückläufige Bevölkerungszahlen und steigende Lebenserwartung der Menschen seien beherrschbar. Man müsse halt lediglich die sozialen Sicherungssysteme neu justieren. Und für die Rente bedeute dies eben ein Renteneintrittsalter von 68 Jahren.
Keine Zeit sei dabei zu verlieren! Und, ach, ja, einer geht noch: Pessimistische Prognosen hätten nur dann eine Berechtigung, wenn die Gesellschaft wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange in schicksalsergebener Untätigkeit verharre…
Der Mittwoch, an dem die Wirtschaftsweisen Kanzlerin Merkel das Sondergutachten überreichten, war übrigens ein Mittwoch im Jahr 2011.
Das, Ihr werdet es nicht glauben, arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft legt noch eine Schippe oben auf. Auch ihr geht es um den demografischen Wandel.
Jedes Jahr, um das wir das Rentenalter hinausschieben, erhöht das Erwerbspersonenpotenzial um gut eine Million Menschen.
Erwerbspersonenpotenzial?! Klingt nach einem volkswirtschaftlichen Schatz, den man nicht ungenutzt lassen sollte!
Wir kommen nun zu der tragischsten Forderung.
2010 war Philipp Mißfelder einer der aufstrebenden Jungstars der Union. Er führte die Junge Union an. Und gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Senioren Union leitete er den Arbeitskreis Zusammenhalt der Generationen. Sie postulierten etwas kryptisch das Miteinander von Jung und Alt stärken zu wollen. Was das im Klartext bedeutete, erfuhren die Deutschen ein Jahr später.
Mißfelder und die Junge Union setzten sich für die Rente mit 70 ein.
Und dann 34 Jahre vor seinem geforderten Renteneintritt starb Mißfelder mit Mitte 30 unter nie wirklich geklärten Umständen.
Dieses Institut tut nicht gut. Auch das Max-Planck-Institut glaubt die Ausweitung der Lebensarbeitszeit sei nötig, um die Folgen der weiter steigenden Lebenserwartung für die Rentenkassen auszugleichen. Die Menschen müssten schlicht einen vernünftigen Teil ihrer Lebensarbeitszeit arbeiten.
Ob das Max-Planck-Institut wohl, falls die Lebenserwartung sinkt, mit dem gleichen Nachdruck ein niedrigeres Renteneintrittsalter fordert?
Deutschlands bekanntester Bevölkerungsforscher, so sieht es zumindest die Bild, fordert die Rente mit 74. Nur so könne unser solidarisches Rentensystem überleben.
Dieser Mann weiß, wovon er spricht! Herwig Birg ist vielleicht doch nicht der prominenteste Experte für Demografie, aber wohl der älteste. Er wird am 4. Januar 82. Und ist immer noch am Forschen.
Der ehemalige Chef der Jungen Liberalen Lasse Becker hat es leider nicht so leicht.
Er ist mit 37 weder der älteste noch der prominenteste Fürsprecher eines späteren Renteneintrittsalters. Da braucht es eine griffigere eingängigere Forderung, um dieses Manko auszugleichen. Lasse fand sie. Seine Generation soll erst mit 75 die Arbeit ruhen lassen.
Die Bertelsmann-Stiftung lehnt sich am weitesten aus dem Fenster. In einer als Möglichkeit kaschierten Forderung (Arbeit 2050; S. 11) glaubt sie an lebenslange Arbeit. Innovative Altersforschung und anhaltende Gesundheit sollen die Grundlage bilden.
Na, weiter kann man sich aber auch nicht aus dem Fenster lehnen.
Ebenfalls lesenswert: Was taugt die deutsche gesetzliche Rente im europäischen Vergleich?
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Das ist doch nicht mehr normal. Wir sollen solange arbeiten , das wir am besten gleich mit dem Renteneintrittsalter in die Grube fallen, damit dann schön die Rente gespart wird. Ein Schlag ins Gesicht für alle die arbeiten und sich auf einen schönen Altersruhestand freuen.
Ich arbeite seit Jahren in der Pflege und das macht den Körper schon genug kaputt, genau wie die Menschen die auf dem Bau arbeiten. Es ist eine Schande was die Politiker sich so für uns Arbeiter denken. Die Menschen, die solche arbeiten verrichten, wie Pflege, Bau und andere körperlich schwere arbeiten, sollten ohne Abzüge mit 63 in Rente gehen dürfen. Länger arbeiten sollte freiwillig sein.
Hallo Gabriele, das denke ich auch. Aber erst gestern kam unser aller Bundeskanzler Scholz mit einer schlechten Nachricht um die Ecke: Seiner Meinung nach müssen die Deutschen länger arbeiten