Aktualisiert 9. Oktober 2023
Meinen ersten Döner aß ich relativ spät. Ich kam zur Ausbildung in die Großstadt und die übrigen Stifte gingen Mittags immer zu einer nahegelegenen Döner-Bude. Ich habe den Geruch, der an dem Stand herrschte, noch heute in der Nase. Wenn der Döner genauso gut schmeckt, wie er riecht, weiß ich, wie meine Henkersmahlzeit lautet, dachte ich. Er schmeckte noch besser.
Und der Preis war lächerlich gering. Ein Döner kostete 1988 5 DM. Was ein Getränk damals kostete, weiß ich leider nicht mehr. Wir hatten alle unsere Mineralwasserflaschen im Rucksack.
Ich ging ziemlich genau vor einem Jahr (also 2022) zu einer Döneria in der Gegend. 2022 kostete der Konkurrenz-Döner in dem gleichen Kaff 5,50 Euro. Ich hätte ihn sogar für 5 € einen Ort weiter bekommen können, doch diese Döner-Bude machte wirklich einen leckeren Döner. Und für den war ich bereit 6 € zu zahlen. Dazu kam noch einmal 2 Euro für eine 0,5l-Plastikflasche Wasser. Das machte zusammen 8 €.
Klatscht man nun alle Inflationsraten von 1988 bis 2022 aufeinander, ergibt sich die Gesamt-Inflation. (Genaugenommen multipliziert man die einzelnen Inflationsraten miteinander.) Sie beträgt 94 %.
Auf gut Deutsch: Der Preis einer durchschnittlichen Ware sollte seit 1988 sich knapp verdoppelt haben.
Die Döner-Inflation lag für den Zeitraum bis 2022 etwas schlechter, aber immer noch in der gleichen Größenordnung. 6 €/2,56 Euro (was den 5 DM von damals entspricht) ergibt 134 % Preissteigerung. Da kann man nicht meckern.
Noch nicht zumindest.
Und hier die Entwicklung noch einmal im Überblick:
…wenn er mit Verlängerung schafft.
Ähnliches lässt sich auch über die Geldentwertung sagen.
Die durchschnittliche offizielle Inflationsrate liegt bei 2 % pro Jahr (1988-2022).
Schon einen Schnaps höher liegt die Entwicklung für den Preis eines Döners. Wir kommen hier pro Jahr auf eine durchschnittliche Erhöhung von 2,5 Prozent. Das macht 0,5 % Differenz pro Jahr. Eigentlich nur eine kleine Differenz.
Wenn die Reihe nur nicht so lange laufen würde.
Und wenn es diesen blöden Zinseszins nicht gäbe. Wie so vieles andere auch, entwickelt sich der Preis für einen Döner aggressiver als die allgemeine Inflationsrate. Wir kommen somit immer noch auf eine Differenz von 40 % über den gesamten Zeitraum.
Letzte Woche stattete ich der Döneria nach längerer Pause mal wieder einen Besuch ab.
Es hatte sich in der Zwischenzeit einiges zum Besseren gewendet. So hatten sie renoviert und schönere Stühle und Tische im Raum stehen. An den Wänden hingen stilvolle Bilder. Sie zeigten Brücken, die sich durch beeindruckende Landschaften zogen. Sie verbanden Gebirgszüge und unwegsame Dschungelpassagen. Den älteren Türken, der mir beim letzten Besuch den Döner gebracht hatte, hatte irgendwer hinter die Theke verbannt. Stattdessen brachte mir seine gutaussehende Tochter den Döner und eine Mineralwasserflasche im Spielzeugformat.
Der Döner schmeckte noch genauso gut wie ein Jahr zuvor.
Das Wasser hatte sich vom Design verbessert. Leider weiß ich die Marke nicht mehr, aber das Fläschchen machte wirklich was her. Noch ein paar Ziselierungen im Glas mehr, und es wäre als Karaffe durchgegangen. Dummerweise passte jetzt nur noch die Hälfte des Volumens der Plastikflasche hinein. Ob sich auch der Preis halbiert hatte?
Äh. Nein.
Ich ging, um zu Bezahlen an die Theke und musste auf die harte Tour lernen, was es mit der hedonischen Bewertungsmethode auf sich hat.
Inflations-Statistiker auf der ganzen Welt treibt ein großes Problem um:
Wie kann ich meinen Verbraucherpreis-Index kleinrechnen, ohne direkt lügen zu müssen?
Eine einfache und häufig genutzte Methode besteht in der Substitution. Man wertet den Warenkorb nicht mehr als statisch, sondern als zeit-dynamisches Konstrukt.
HÄ?!
Das klingt komplizierter als es ist. Nehmen wir an, etwas im Warenkorb wird extrem teuer. Dann muss es halt raus. Und irgendwas billiges muss als Ersatz dafür rein. Zur Begründung kann man ja immer noch hinter herschieben, dieses Produkt entspräche nicht mehr der repräsentativen Zusammenstellung der Güter eines Durchschnittsbürgers.
Das ist ein nettes Werkzeug für Statistiker. Aber wie jeder Heimwerker weiß, bei großen Problemen braucht man bessere Werkzeuge. Die Statistiker glaubten anscheinend 2002 in Deutschland stünden große Probleme bevor. Pünktlich zur Euro-Einführung übernahm das Statistische Bundesamt jedenfalls die hedonische Bewertungsmethode. Dabei schauen sie, ob das Produkt nicht vielleicht irgendwie besser beziehungsweise werthaltiger geworden ist. Und dann entscheidet eine Kommission bei Kaffee & Kuchen welcher Korrekturfaktor angemessen ist.
Ach, schauen wir es uns doch am besten einfach mal am Beispiel meines Mittagsessens an:
Der ältere Türke sah mich fragend an.
„Ein Döner und ein Wasser.“ sagte ich.
„Das macht 7,5 € für Kebab und 2 Euro Fünfzig für Wasser.“, erwiderte er.
Der blutige Laie würde an der Stelle glauben, die Inflation für meinen Döner betrüge 7,5 €/6 Euro. Also atemberaubende 25 Prozent Preissteigerung 2022-2023.
Das Wasser schlüge mit 2,5 €/ 2 € * 0,5 Liter/0,25 Liter zu Buche. Hier kämen wir auf eine fantastische Preissteigerung von 250 Prozent.
Das ist nicht direkt falsch, aber als Laie übersieht man leicht den hedonischen Bewertungsmist. Schauen wir uns das Ganze mal von oben an:
Ich bestellte 2022 für 8 € in einer 0815-Döner-Bude ein Mittagessen.
2023 bestellte ich das gleiche Essen für 10 Euro in einer besser ausgestatteten Döneria.
Diese Inflation lag also bei 10 €/(8 € * HB). Hierbei steht HB für hedonischen Bonus. Ich vergab nach sorgfältigem statistischen Abwägen für den Geschmack 0 % Bonus, für die Brückenbilder 10 %, für die filigran ziselierte Wasserflasche 10 %. Zusätzlich gab es noch 10 % Sonderbonus für die hübsche Tochter des Türken. Macht also insgesamt 30,00 % für den hedonischen Bonus. Wir erhalten demnach eine Inflation von 10 Euro/(8 Euro * 1,3) =0,96 Also -4 % Das Mittagessen verbilligte sich tatsächlich!
Man, wer hätte das gedacht?!
Ja?
Das Wasser. Ja, richtig. Nun, die reduzierte Menge des Wassers stellte natürlich eine Verschlechterung dar. Aber wie bereits gesagt, die hedonische Bewertungsmethode misst nur Verbesserungen beziehungsweise gesteigerte Werthaltigkeiten. Und da sich das Volumen des Getränks verschlechterte, gab es auch nichts zu messen.
Und hier findet ihr unter dem Schlagwort Inflation noch mehr Langzeit-Rennen Inflationsrate vs. Herausforderer. Zum Beispiel…
Die Erhöhungen des Rundfunkbeitrags
Die Erhöhungen der Diäten der Bundestagsabgeordneten
Die Partei-Zuschüsse
Der Bundesetat
Die Kirchensteuer
Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer
Der Bußgeldkatalog
Der Butterpreis
Die Kosten für das Trinkwasser
Der Bierpreis auf dem Oktoberfest
Der Preis für einen Hamburger (McDonalds)
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Die Kosten für ein Flug-Ticket
Das Ticket für die Frankfurter Buchmesse
Der Mindestunterhalt der Düsseldorfer Tabelle
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Der Target2-Saldo,
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